– Widerrufssituation war Außergeschäftsraumvertrag –
Das OLG Karlsruhe hat mit Beschluss vom 13.03.2023 (8 U 17/23) festgestellt, dass auch Nachtragsvereinbarungen über zusätzliche Leistungen des Unternehmers – anders als einseitige Änderungsanordnungen des Bestellers gemäß § 650b Abs. 2 BGB – rechtlich selbstständige Werkverträge sind, weil sie – wie der Hauptvertrag – durch Angebot und Annahme zustande gekommen sind. Sie können daher, wenn sie außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurden (§ 312b BGB oder den bei zusätzlichen Leistungen nur selten gegebenen Voraussetzungen des Verbraucherbauvertrages, § 650i BGB) selbstständig widerrufen werden. Der Umstand, dass Nachtragsvereinbarungen insbesondere dann mit dem Hauptvertrag „zusammenhängen“, wenn sie die nach dem Hauptvertrag geschuldeten Leistungen nur ergänzen oder lediglich solche zusätzlichen Leistungen zum Gegenstand haben, die zur Herstellung eines funktionstauglichen Werks erforderlich sind, ändert nichts daran, dass die von den Parteien getroffene Abrede über den zusätzlichen Leistungsinhalt und dessen Vergütung – also die Nachtragsvereinbarung – ein selbstständiger Werkvertrag seien.
Der Sachverhalt und die Entscheidung des OLG Karlsruhe
Ein Verbraucher hatte im Rahmen eines mit einem Unternehmer bereits geschlossenen Werkvertrages zusätzlich den Innenausbau des Dachgeschosses beauftragt, wobei die Bestellung im Rahmen des Anwesens des Verbrauchers erfolgte. Über ein ihm zustehendes Widerrufsrecht wurde der Verbraucher hierbei nicht belehrt, obgleich es sich um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag im Sinne des § 312b BGB handelte. Ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag liegt insbesondere dann vor, wenn er in einer Privatwohnung, am Arbeitsplatz oder beispielsweise in einem Restaurant (das nicht Geschäftsraum des Unternehmers ist) oder auf allgemein zugänglichen Verkehrsflächen geschlossen wird.
Folglich konnte der Verbraucher den als selbstständigen Werkvertrag zu bezeichnenden Vertrag über den Dachgeschossausbau nach § 312g Abs. 1 BGB widerrufen. Das OLG Karlsruhe betont hierbei, dass es auf eine konkrete Überraschung oder Überrumpelung nicht ankommt, es sei auch nicht erforderlich, dass die Überrumpelungssituation kausal zum Vertragsschluss durch den Verbraucher führte. Denn nach der Gesetzesbegründung werde deutlich, dass dem Verbraucher ein Widerrufsrecht bereits deshalb eingeräumt wird, weil er außerhalb von Geschäftsräumen „möglicherweise“ psychisch unter Druck steht oder einem Überraschungsmoment ausgesetzt ist (BT-Drs. 17/12637, S.49). Nach diesem typisierten Maßstab komme es auf eine konkrete Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers im Einzelfall also nicht an.
Den für ihn nachteiligen Folgen des Widerrufs kann der Unternehmer dadurch begegnen, dass er den Verbraucher über das Widerrufsrecht belehrt und sich von diesem ein ausdrückliches Leistungsverlangen des Verbrauchers vor Ablauf der Widerrufsfrist schriftlich oder in Gegenwart von Zeugen bestätigen lässt, wie dies § 357a Abs. 2 BGB vorsieht.
Erhebliche Erfahrung
Wenn Sie – sei es als Verbraucher, sei es als Unternehmer – Fragen rund um das Widerrufsrecht im Baurecht haben, wenden Sie sich bitte an Herrn Rechtsanwalt Tilmann Schellhas, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht. Dieser hat erhebliche Erfahrung hiermit und befasst sich seit nahezu drei Jahrzehnten mit Widerrufsrechten in unterschiedlichen rechtlichen und tatsächlichen Konstellationen.
Tilmann Schellhas
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und für Bau- und Architektenrecht
Prinzregentenufer 3, 90489 Nürnberg