– BGH ändert drei Jahrzehnte alte Rechtsprechung –

Der BGH hat mit Urteil vom 22.06.2023 (VII ZR 881/21) seine Rechtsprechung zur Verjährung für Mängel im selbstständigen Beweisverfahren geändert: Die Hemmung der Verjährung endet jetzt für alle behandelten Mängel einheitlich mit dem Abschluss eines selbstständigen Beweisverfahrens. Es ist damit nicht mehr entscheidend, wann die  Beweisaufnahme für jeden einzelnen Mangel abgeschlossen wurde.

BGH folgt der Auffassung des OLG Stuttgart

Dem vorausgegangen war ein Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart, dass sich – wie es selbst klar hervorhob – nicht der zuvor vom BGH vertretenen und dazu seit Jahrzehnten herrschenden Meinung folgte. Der Senat des OLG Stuttgart war nämlich davon ausgegangen, dass die Verjährung für eine Forderung wegen eines bestimmten Mangels, der neben anderen Mängel Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens gewesen war, bis zum Abschluss des gesamten Beweisverfahrens gehemmt war. In dem vom OLG Stuttgart zu behandelnden Fall war damit die Hemmung der Verjährung einheitlich 2015 für alle begutachteten Mängel geendet – auch wenn die Untersuchung der betreffenden Risse in einem Bauelement schon seit Jahren abgeschlossen gewesen sei.

Mit dem BGH (NJW 1993, 851) ging die Mehrheit der Oberlandesgerichte bis dahin davon aus, dass die Verjährungsfrist jeweils mit dem Ende der Beweisaufnahme für jeden einzelnen Mangel wieder laufe – auch wenn die Begutachtung weiterer Mängel noch andaure.

BGH: Rechtssicherheit und Prozessökonomie für Rechtsprechungsänderung entscheidend

Der 7. Zivilsenat des BGH bestätigte jetzt die Auffassung des OLG Stuttgart und stelle für das Ende der Hemmung ebenso einheitlich auf den Abschluss des selbstständigen Beweisverfahrens ab. Aus Gründen der Rechtssicherheit sei es erforderlich, bei der Auslegung der Verjährungsvorschriften beim Wortlaut des Gesetzes zu bleiben.

Da es in § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB heiße, dass die Hemmung 6 Monate nach „Beendigung des eingeleiteten Verfahrens“ endet, müsse das selbstständige Beweisverfahren – so der BGH – insgesamt sachlich abgeschlossen sein. Dazu müssten aber die in dem Beweisbeschluss durch das Gericht gestellten Fragen insgesamt abgearbeitet worden sein.

Darüber hinaus verwies der BGH darauf, dass es einem geordneten und zügigen Abschluss des Rechtsstreits nicht dienlich wäre, wenn die Parteien gezwungen wären, Ansprüche wegen einzelner Mängel vorab gesondert einzuklagen, um ihre Verjährung zu vermeiden. Dies begründete der BGH damit, dass die Parteien später gegebenenfalls – nach Abschluss weiterer Gutachten zu anderen Mängeln – die restlichen Forderungen dann über eine Klageerweiterung dem zuerst gestarteten Klageverfahren hinzufügen würden.

Haben Sie Fragen zur Verjährung und zum selbständigen Beweisverfahren?

Wenn Sie Fragen zum vorliegenden Verfahren, der Verjährung oder Besonderheiten des selbstständigen Beweisverfahrens haben, können Sie sich gerne an Herrn Rechtsanwalt Tilmann Schellhas, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, oder Herrn Rechtsanwalt Thomas Schieder, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, wenden.

Tilmann Schellhas

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und für Bau- und Architektenrecht
SCHIEDER UND PARTNER RECHTSANWÄLTE
Prinzregentenufer 3, 90489 Nürnberg

Thomas Schieder

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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Prinzregentenufer 3, 90489 Nürnberg