„Scharfes“ Schwert –
Eine Vielzahl von Verträgen im Baubereich wird außerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmers oder im Fernabsatz mit Verbrauchern geschlossen und unterliegen daher teilweise zwingenden gesetzlichen Bestimmungen. So besteht ein Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei Fernabsatzverträgen und bei Verbraucherbauverträgen.
Der Außergeschäftsraumvertrag ist ein Vertrag, den der Verbraucher mit dem Unterzeichner immer außerhalb von dessen Geschäftsräumen schließt. Geschäftsräume sind alle Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft und für gewöhnlich ausübt – unbewegliche Geschäftsräume sind klassischerweise Ladenlokale, Firmengebäude, Verkaufsausstellungen oder auch Musterhäuser eines bestimmten Hausanbieters. Verkaufsstände auf Messen werden regelmäßig als Geschäftsräume des Unternehmers anzusehen sein. Sämtliche Verträge allerdings, bei denen sich der Unternehmer auf die Baustelle oder das künftig zu bebauende Grundstück begibt oder die beim Verbraucher selbst bzw. in anderen Räumlichkeiten, z. B. Restaurants, geschlossen werden, unterliegen dem Widerrufsrecht des Verbrauchers.
Auch bei einem Fernabsatzvertrag steht einem Verbraucher ein Widerrufsrecht zur Seite. Fernabsatzverträge sind Verträge, bei denen der Unternehmer ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet, es sei denn, dass der Vertragsabschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Fernkommunikationsmittel sind z. B. Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails, SMS oder dergleichen.
Und schließlich steht dem Verbraucher auch bei Abschluss eines Verbraucherbauvertrages im Sinne von § 650 i BGB ein Widerrufsrecht zu. Ein Verbraucherbauvertrag definiert sich als Vertrag über den Bau von neuen Gebäuden oder erheblichen Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden.
Ein Widerrufsrecht erlischt bei allen drei Vertragstypen (Außergeschäftsraumvertrag, Fernabsatzvertrag und Verbraucherbauvertrag) spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss.
Widerrufsfolgen von Fernabsatzvertrag und Verträgen außerhalb von Geschäftsräumen sind identisch: Nach § 357 Abs. 8 BGB kann bei einem Vertrag über Dienstleistungen, zu denen die Verträge am Bau gehören, ohne wirksame Belehrung kein Wertersatz verlangt werden, wenn der Verbraucher von dem Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt. Ein solcher Hinweis setzt nach Auffassung des BGH (Urteil vom 07.07.2016 – I ZR 30/15, Rn. 62) denknotwendig die Erteilung einer Widerrufsbelehrung voraus. Wenn diese und kumulativ hierzu der Hinweis an den Verbraucher fehlen, besteht für den Unternehmer, der bereits Bauleistungen ausgeführt hat (!), weder ein Vergütungsanspruch noch ein Wertersatzanspruch gegenüber dem Verbraucher! Auch ein bereicherungsrechtlicher Anspruch nach §§ 812, 818 BGB kommt nicht in Betracht, weil dieser Anspruch voraussetzte, dass der Vertrag unwirksam ist. Dies ist jedoch nicht der Fall, da der Widerruf die vertragliche Grundlage nicht rückwirkend beseitigt, sondern das wirksame Vertragsverhältnis lediglich mit der Wirkung ex nunc in ein Rückabwicklungsverhältnis umwandelt. Anders ist hier hingegen die Rechtsfolge des Widerrufs von Verbraucherbauverträgen, die dem Unternehmer einen Wertersatzanspruch nach § 357 d) BGB zuweist.
So hat beispielsweise das Landgericht Stuttgart (Urteil vom 02.06.2016 – 23 O 47/16) den dortigen klagenden Verbrauchern einen Anspruch auf Rückgewährung der von ihnen geleisteten Zahlungen zugestanden und einen Wertersatzanspruch des beklagten Unternehmers für das gelieferte Material nicht in Abzug gebracht. In gleicher Weise urteilte das LG Coburg mit Urteil vom 09.08.2018 – 21 O 175/18, wobei es die Klage eines Werkunternehmers auf Zahlung seiner Vergütung abwies, weil der Auftraggeber einen möglichen Vertrag jedenfalls wirksam widerrief. Zutreffend wies es darauf hin, dass es nicht darauf ankommt, ob der Verbraucher die Installationsfirma zu sich bestellte oder ob er im Gespräch „überrumpelt“ worden war. Dies alles nur deshalb, weil verabsäumt worden war, die Verbraucher ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht zu belehren.
Wichtig zu wissen ist allerdings auch, dass bei erklärtem Widerruf die Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer entfallen.
Anders ist hingen die Rechtsfolge des Widerrufs beim Verbraucherbauvertrag: Dort besteht zu Gunsten des Unternehmers nach § 357 d BGB ein Wertersatzanspruch. Es gilt daher stets individuell zu prüfen, welcher Vertragstypus vorliegt, ob es sinnvoll ist, den Widerruf zu erklären oder nicht, etwa weil das Vertrauen in die unternehmerischen Leistungen ohnehin verloren ist.
Lassen Sie Ihren Sachverhalt darauf überprüfen!
Zur Kontaktaufnahme wenden Sie sich bitte an Herrn Rechtsanwalt Tilmann Schellhas – Fachanwalt für Bau– und Architektenrecht und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht –.
Tilmann Schellhas
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Bau- und Architektenrecht
Prinzregentenufer 3, 90489 Nürnberg