– Bei Werkvertragsrecht zu bejahen –
Das OLG Nürnberg hat mit Endurteil vom 29.04.2021 (13 U 2800/19) festgestellt, dass ein Gerüstbau- und Überlassungsvertrag, aufgrund dessen ein Gerüst nicht nur vermietet, sondern ein individuell bemessenes und zusammengestelltes Gerüst montiert, am Gebäude fest verankert und wieder demontiert wird sowie der Gerüstbauer in eigener Verantwortung über die Art der Gerüstgruppe und die Konstruktion im Einzelnen entscheidet, nach Werkvertragsrecht zu beurteilen und deshalb für solche insoliert beauftragten Gerüstbauarbeiten jedenfalls dann eine Bauhandwerkersicherung verlangt werden kann, wenn diese Arbeiten direkt baubegleitend die unmittelbar bauwerkserrichtende Tätigkeit unterstützen.
Der Sachverhalt
Der klagende Gerüstbauer war von der Beklagten unter Einbeziehung der VOB/B zu Einheitspreisen beauftragt, Gerüstarbeiten auszuführen. Diese vereinbarten Gerüste, die der Gerüstbauer individuell bemaß und zusammenstellte, wurden, wie eingangs geschildert, gestellt. Der Auftraggeber leistete verschiedene Zahlungen an den Gerüstbauer.
Im Weiteren kündigten die Auftraggeber dann den Vertrag mit der Begründung, der Gerüstbauer habe gerügte Mängel nicht beseitigt; ferner wurde ein Baustellenverbot erteilt. Der Gerüstbauer wies die Kündigung zurück und erklärte, dass er nach wie vor leistungsbereit sei und die vertragsgegenständlichen Leistungen erbringen und etwaig bestehende Mängel beseitigen werde, was aber deshalb nicht möglich wäre, da die Auftraggeberin ein Baustellenverbot ausgesprochen habe.
Aufgrund einer fruchtlos abgelaufenen Frist zur Stellung einer Bauhandwerkersicherung machte der Gerüstbauer dann im Weiteren von dem ihm zustehenden Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch; sämtliche Arbeiten würden von ihm erst nach Vorlage einer ordnungsgemäßen Sicherheit in ausreichender Höhe fortgesetzt. Im Weiteren verlangt der Gerüstbauer noch offenen Werklohn in Höhe von über € 62.000,00. Die Vorinstanz, das Landgericht Nürnberg-Fürth, wies die Klage mit der Begründung ab, dass § 648a BGB a. F., also das Stellen einer Bauhandwerkersicherung, auf Gerüstbauarbeiten nicht anwendbar sei; es handle sich um bloße vorbereitende Arbeiten.
Die Entscheidung des OLG Nürnberg
Dies sah das OLG Nürnberg anders. Nicht nur, dass die Parteien den Vertrag selbst als „Bauvertrag“ bezeichneten und ausdrücklich vertragliche Regelungen trafen, die bei Bauverträgen zwischen Bauunternehmern üblich sind (z. B. Einbeziehung der VOB/B, Regelung zu der Abnahme, Abrechnung nach Einheitspreisen, Aufmaß, etc.), hatte der Gerüstbauer nämlich unstreitig die vereinbarten Gerüste nicht nur gestellt, sondern diese individuell bemessen und zusammengestellt, in eigener Verantwortung über die Art der Gerüstgruppe und die Konstruktion im Einzelnen entschieden, die Gerüste montiert und an den Gebäuden fest verankert.
Dabei machte das OLG noch einmal deutlich, dass selbst die Erklärung einer Kündigung den Auftragnehmer nicht hindert, gegen seinen Auftraggeber eine Bauhandwerkersicherung geltend zu machen – ausreichend sei, dass dem Auftragnehmer noch ein Vergütungsanspruch zusteht.
Lassen Sie Ihren Vertrag und Ihren Sachverhalt daraufhin überprüfen.
Die Bauhandwerkersicherung hat eine unverändert hohe praktische Bedeutung. Bei dem Anspruch handelt es sich um ein scharfes Schwert des Auftragnehmers, da ihm die Nichtvorlage einer Bauhandwerkersicherung relativ einfach ein Leistungsverweigerungsrecht und ein Recht zur Kündigung verschaffen kann. Die Baurechtsreform zum 01.01.2018 hat daran nichts geändert. Die Bauhandwerkersicherung ist nunmehr in § 650f BGB geregelt.
Danach hat der Unternehmer einen Anspruch auf eine Sicherheit gegen den Besteller. Die Parteien müssen einen Bauvertrag im Sinne von § 650a BGB abgeschlossen haben, wobei § 650f BGB über die Verweisung des § 650q Abs. 1 BGB auch für Architekten- und Ingenieurverträge gilt, was auch bereits in der Vergangenheit bereits der überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung entsprach.
Eine Bauhandwerkersicherung kann auch nach der Abnahme gefordert werden, § 650f Abs. 1 Satz 3 BGB, ebenso nach einer Kündigung.
Die Bauhandwerkersicherung bleibt also ein probates Mittel für den Auftragnehmer, um Druck auf den Auftraggeber aufzubauen. Die Frist von 7 – 10 Tage für die Vorlage einer Sicherheit ist aus Sicht vieler Auftraggeber sehr kurz bemessen. Der Auftragnehmer hat es aber über § 650f BGB deswegen in der Hand, innerhalb kurzer Zeit sich vom Vertrag loszusagen.
Haben Sie Fragen zu diesem Themenkreis, können Sie sich gerne an Herrn Rechtsanwalt Tilmann Schellhas – Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht – oder aber an Herrn Rechtsanwalt Thomas Schieder – Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht – wenden.
Tilmann Schellhas
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und für Bau- und Architektenrecht
Prinzregentenufer 3, 90489 Nürnberg