– BGH-Entscheidung im Streit um deutsche Architekten-Honorare bei Mindestssatzunterschreitung –

Mit Urteil vom 02.06.2022 (VII ZR 174/19) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass dem klagenden Ingenieurbüro eine offene Forderung von mehr als € 100.000,00 zusteht. Das Ingenieurbüro hatte mit dem Auftraggeber ein Pauschalhonorar vereinbart, das unter den Mindestsätzen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) lag. Der BGH gestand dem Ingenieurbüro  allerdings das Mindestsatzhonorar nach der HOAI zu – dieses Urteil hat erhebliche Auswirkungen und wird im Ergebnis dazu führen, dass Architekten und Ingenieure gegenüber ihren Auftraggebern erhebliche Nachforderungen geltend machen können.

Der Sachverhalt

Die Parteien hatten in dem streitgegenständlichen Fall ein Pauschalhonorar in Höhe von rund € 55.000,00 vereinbart. Nachdem der klagende Ingenieur den Vertrag gekündigt hatte, rechnete er im Juli 2017 die erbrachten Leistungen nach HOAI 2013 ab und verlangte eine offene Restforderung in Höhe von knapp € 103.000,00.

Der BGH tendierte im Rahmen der Revision dazu, dass die verbindlichen Mindestsätze der HOAI 2013 trotz eines EuGH-Urteils von 2019 bis zur Neuregelung anzuwenden seien, fällte jedoch keine Entscheidung, sondern setzte sein Verfahren aus und legte es dem EuGH in einem Vorabentscheidungsersuchen vor. Der EuGH (Urteil vom 18.01.2022, Rechtssache C-261/20) urteilte dann, dass deutsche Gerichte die HOAI bei Streitigkeiten zwischen Privaten auch weiterhin anwenden könnten, da die EU-Vorgaben keine unmittelbaren Wirkungen für Privatpersonen hätten, sondern eine Anweisung an den Staat seien.

Dem schloss sich der BGH nunmehr in seinem Urteil vom 02.06.2022 an und verurteilte den Auftraggeber zu einer erheblichen Nachzahlung.

Auswirkungen

Die nunmehr vom BGH geklärte Frage war unter deutschen Gerichten heftig umstritten. Sie hatten zahlreiche Verfahren ruhend gestellt. Auf sie dürften nun viele „Aufstockungsklagen“ von Planern zukommen, die nachträglich den Mindestsatz verlangen.

Zu bedenken ist, dass das Urteil nur Auswirkungen auf Altverträge hat, bei denen also die Vertragsabschlüsse vor 2021 stattfanden. Seit 2021 gibt es eine neue HOAI. Demnach müssen sich die Honorare nicht mehr in einem festen Rahmen von Mindest- und Höchstsätzen bewegen, sie sind seitdem frei verhandelbar.

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Sollten Sie Fragen hierzu haben, können Sie sich  gerne an die Fachanwälte für Bau- und Architektenrecht Tilmann Schellhas oder Thomas Schieder wenden.

Tilmann Schellhas

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und für Bau- und Architektenrecht
SCHIEDER UND PARTNER RECHTSANWÄLTE
Prinzregentenufer 3, 90489 Nürnberg

Thomas Schieder

Fachanwalt Baurecht / Architektenrecht
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