– Entschädigung in Höhe von € 3.000,00 zugesprochen –

Das Amtsgericht Kassel (435 C 777/23) hat am 06.09.2023 einen 88 Jahre alten Pensionär mit guter Bonität (vormals Bundesrichter am Bundesarbeitsgericht) eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Höhe von € 3.000,00 zugesprochen, da ihm eine norddeutsche Regionalbank eine von ihm beantragte Kreditkarte auf einer Internetplattform dieser Bank mit dem Bemerken verweigert hatte, der Kreditkartenvertrag werde mit ihm wegen seines Alters nicht geschlossen.

Die Rechtsfragen

Das Amtsgericht Kassel hielt die Verweigerung für rechtlich unzulässig, da die Bank gegen ein Benachteiligungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes verstoße. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine Benachteiligung vor, wenn „eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes (hier das Alter) eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation“. Diese Voraussetzung hat das Amtsgericht Kassel ohne Weiteres bejaht.

Zudem war Voraussetzung für die Anwendung des AGG und eine Entschädigung, dass es sich um ein „Massengeschäft“ handelt. Um Massengeschäfte handelt es sich im Sinne des AGG dann, wenn das Geschäft (hier die Ausgabe einer Kreditkarte) „typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen“. Da hier die beklagte Bank allen möglichen Interessenten den Abschluss von Kreditkartenverträgen anbietet, lag ein „Massengeschäft“ im Sinne des § 19 AGG ohne Weiteres vor.

Im Kern kam es deshalb darauf an, ob es für die unterschiedliche Behandlung einen „sachlichen Grund“ gibt. Die Bank meinte die Benachteiligung des Klägers damit rechtfertigen zu können, dass im Todesfall bei der Ermittlung der Erben ein höherer Verwaltungsaufwand entstünde und ein Ausfallrisiko bestehe. Dies verneinte das Amtsgericht Kassel unter anderem mit dem Argument, dass die Überschuldung eines Nachlasses kein Problem des Alters darstelle, sondern der fehlenden Solvenz des Erblassers geschuldet sei. Die Solvenzprüfung berühre jedoch nicht die anstehende Rechtsfrage. Denn ein Kreditkartenvertrag entspreche seiner Struktur nach gerade nicht einem Ratenzahlungskreditvertrag. Der Verfügungsrahmen des Kreditkartenvertrages (im streitgegenständlichen Fall: € 2.500,00) ist gerade so gewählt, dass er im Folgemonat wieder ausgeglichen werden könne. Deshalb liege gerade keine auf Dauer angelegte Rückzahlungsvereinbarung vor. Die Gefahr, dass ein Finanzdienstleistungsinstitut ausfalle, erscheine quantitativ unbedeutend und wäre auch in der wirtschaftlichen Folge ohne besondere Relevanz.

Die vom Kläger begehrte Entschädigung von € 3.000,00 hielt das Gericht für angemessen. Es läge eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers vor und der Kläger gehöre auch im Ruhestand zu einer Gruppierung von Personen mit weit überdurchschnittlichem monatlicher Einkommen. Als ehemaliger Bundesrichter im Bundesdienst, sei zudem das besonders hohe soziale Renommee des Klägers zu berücksichtigen und auch, dass im zunehmenden Umfang der Einsatz von Kreditkarten als Zahlungsmittel oder Sicherungsmittel im allgemeinen alltäglichen Geschäftsverkehr stattfinde und erforderlich werde.

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Tilmann Schellhas

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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