– OLG Dresden hält mehr als die Hälfte der verlangten Zinsen für gerechtfertigt –
Das OLG Dresden hat mit Urteil vom 13.04.2022 (5 U 1973/20) in einer Individualklage eines Sparers die beklagte Sparkasse zur Zahlung von mehr als der Hälfte des verlangten Zinsbetrags verurteilt. Der Anspruch war von dem klagenden Sparer dadurch entstanden, dass sich im Sparvertrag selbst eine unwirksame Zinsanpassungsklausel mit dem Wortlaut „Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit 4,75 % verzinst. …“ befand. Während der Vertragslaufzeit senkte die Beklagte diesen variablen Zinssatz sukzessive ab, wobei unklar war, welche Zinssätze sie im Laufe des jeweiligen Kalenderjahres zugrunde gelegt hatte. Eingeklagt hatte der Sparer deshalb einen weiteren Zinsbetrag in Höhe in Höhe von ca. € 11.000,00 – zugesprochen bekam er vom OLG Dresden einen Betrag von ca. € 6.200,00 und damit immerhin ca. 56,36 % des Klagebetrags.
Worin liegt diese Differenz begründet?
Dass die Klausel, wonach die Spareinlagen variabel, zur Zeit mit 4,75 % verzinst werden, unwirksam ist, ist in Anbetracht einer Reihe von BGH-Entscheidungen hierzu unbestritten gewesen. Folge der Unwirksamkeit ist, dass eine Vertragsanpassung zu erfolgen hat, wobei zu hinterfragen ist, welche Zinsänderungsklausel die Parteien vereinbart hätten, hätten sie von der Unwirksamkeit der im Vertrag befindlichen Klausel gewusst.
Der klagende Sparer hatte bei Berechnung seines Zinsanspruchs als Referenzzins den gleitenden Durchschnitt der Zeitreihe BBK01.WX4260 der Deutschen Bundesbank „Umlaufsrendite inländischer Inhaberschuldverschreibungen/Hypothekenpfandbriefe/mittlere Restlaufzeit von über 9 bis einschließlich 10 Jahren“ herangezogen und – auf dem Äquivalenzprinzip fußend – eine relative Anpassung des bei Vertragsschluss geltenden Zinssatz zum jeweils zeitlich korrespondierenden – gleitenden – Referenzzins berücksichtigt. Ferner hatte er eine monatliche Anpassung vorgenommen und auch eine Anpassungsschwellung abgelehnt.
Das OLG Dresden hat daraufhin ein Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Thießen, Technische Universität Chemnitz, eingeholt und im Ergebnis gemeint, dass es dem verobjektivierten Willen der Parteien unter Berücksichtigung der sachverständigen Ausführungen am ehesten entspreche, als Referenzzinssatz die von der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Zinsreihe der IST-Zinssätze des Kapitalmarkts für börsennotierte Bundeswertpapiere mit 8 bis 15-jähriger Restlaufzeit, Monatswerte, zugrunde zu legen. Insbesondere wäre die Anwendung eines gleitenden Durchschnitts nicht zur Mehrabrechnung der Zinsen geeignet, weil der gleitende Durchschnitt große Volumen- sowie Zinsänderungsrisiken berge. Die Trägheit gleitender Durchschnitte führe bei steigenden Zinssätzen dazu, dass der Referenzzins unter dem Marktzins liege, sodass die Gefahr bestehe, dass der Sparer von seinem Recht zur Kündigung oder Herabsetzung der Sparbeiträge Gebrauch mache. Bei sinkenden Zinsen sei dagegen ein aus einem gleitenden Durchschnitt gebildeter Referenzzins höher als der Marktzins und stelle bereits als solcher für die beklagte Sparkasse ein Refinanzierungsrisiko dar.
Ablehnung der Gleitzinsmethode
Damit lehnt das OLG Dresden einen Rückgriff auf die gleitenden Durchschnittszinssätze ab. Darin liegt im Wesentlichen begründet, dass der Anspruch des klagenden Sparers sich auf etwas mehr als die Hälfte des verlangten Betrags abgeschmältert hat. Wäre der gleitende Durchschnitt zugrunde zu legen – dies ist eine Rechtsfrage -, würden die Nachzahlungen der Kreditinstitute mindestens 40 % höher ausfallen als nach der vom OLG Dresden in dem hier ergangenen Urteil vertretenen Auffassung.
Wie der Bundesgerichtshof diese Rechtsfrage klärt, ist noch völlig offen.
Erhebliche Expertise
Herr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Tilmann Schellhas hat im Umgang mit solchen Verfahren und Ansprüchen von Sparern auf nachzuzahlende Zinsen erhebliche Erfahrung. Er vertritt seit Jahren und bundesweit hierzu Sparer gegenüber einer Vielzahl von Sparkassen und Kreditinstituten. Wenn Sie Fragen zu Ihren Sparverträgen haben, können Sie sich gerne an ihn wenden.
Tilmann Schellhas
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und für Bau- und Architektenrecht
Prinzregentenufer 3, 90489 Nürnberg