Der EuGH und die HOAI - wie Gerichte jetzt entscheiden

Der EuGH hat mit Urteil vom 04.07.2019, Aktenzeichen RS C-377/17 entschieden, dass die in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) geregelten verbindlichen Höchst- und Mindestsätze einen Verstoß gegen die Dienstleistungsrichtlinie und die Niederlassungsfreiheit darstellen.

Formulierung Landgericht Augsburg

Das Landgericht Augsburg hat zwischenzeitlich mit Verfügung vom 09.07.2019 zu Aktenzeichen 64 O 4632/18 formuliert, dass in Anbetracht der aktuellen Entscheidung des EuGH vom 04.07.2019 Anträge auf Aussetzung des Verfahrens, die im Hinblick auf die ehemalige Unsicherheit der Entscheidung des europäischen Gerichtshofs gestellt wurden, obsolet geworden seien. Viele Mindest- oder Höchstsatz relevante Verfahren wurden auf entsprechenden Antrag der Parteien hin bis zur Entscheidung des EuGH ausgesetzt. Dieser Aussetzungsgrund wegen „Vorgreiflichkeit“ ist zwar gemäß § 148 ZPO zulässig. Nunmehr ist das Verfahren EuGH RS C-377/17 jedoch abschließend entschieden. Ein Grund für eine Aussetzung besteht somit nicht mehr.

Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle

In einer weiteren Entscheidung hat das Oberlandesgericht Celle mit Urteil vom 17.07.2019 zu Aktenzeichen 14 U 188/18, das noch nicht rechtskräftig ist, entschieden, dass sich eine Partei auch in laufenden Architektenhonorarprozessen nicht mehr auf eine unzulässige Unter- bzw. Überschreitung der Mindest- bzw. Höchstsätze der HOAI berufen könne. Wegen des Anwendungsvorbehalts des Europarechts seien die Gerichte verpflichtet, für europarechtswidrig erklärte Regelungen, so auch solche der HOAI, nicht mehr anzuwenden. Die EuGH-Entscheidung ist insoweit auch in laufenden Rechtsstreitigkeiten anzuwenden und zu berücksichtigen. § 7 Abs. 5 HOAI ist wohl nur noch Geschichte.

Weiter hat das Oberlandesgericht Celle mit Urteil vom 23.07.2019 zu Aktenzeichen 14 U 182/18, das noch nicht rechtskräftig ist, entschieden, dass die Mindest- und Höchstsätze der HOAI europarechtswidrig sind. Gerichte sind verpflichtet, die für europarechtswidrig erklärten Regelungen der HOAI nicht mehr anzuwenden. Die Mindestsatzfiktion des § 7 Abs. 5 HOAI ist nunmehr gegenstandslos.

Honorarvereinbarungen sind nicht deshalb unwirksam, weil sie die Mindestsätze der HOAI unterschreiten oder deren Höchstsätze überschreiten.

Infolge der EuGH-Entscheidung ist es von Rechts wegen nicht mehr zulässig, getroffene Honorarvereinbarungen an den Mindest- und Höchstsätzen der HOAI  zu messen.

Honorarvereinbarungen, die ein Honorar unter- oder oberhalb der Mindest- und Höchstsätze der HOAI vorsehen, sind daher nun – auch in laufenden Honorarprozessen – nicht mehr unzulässig.

Es bleibt weiterhin abzuwarten, wie die Neugestaltung erfolgen wird.

Thomas Schieder, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Thomas Schieder

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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