– Aktuelles Urteil des LG Ravensburg zur Nachrangklausel –

Das Landgericht (LG) Ravensburg entschied mit Urteil vom 07.02.2025 (Az. 2 O 99/24) in einem Fall zu Schwarmfinanzierung (Crowdfunding) und qualifizierten Nachrangklauseln. Geklagt hatte ein Anleger, der über eine Internetplattform drei Nachrangdarlehen in Höhe von insgesamt 14.500 Euro vergeben hatte. Die Beklagte betrieb diese Plattform und vermittelte die Darlehensabschlüsse. Die Darlehensnehmer konnten ihre Rückzahlungsverpflichtungen nicht erfüllen, wodurch der Anleger sein Geld verlor.Der Anleger warf der Plattformbetreiberin vor, ihn unzureichend über die Risiken dieser Finanzierungsform informiert zu haben. Insbesondere sei nicht deutlich genug gemacht worden, dass die qualifizierte Nachrangklausel ein erhebliches Totalverlustrisiko mit sich bringe. Das Gericht gab dem Kläger weitgehend Recht und sprach ihm Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu.

Entscheidung des Gerichts – Unzureichende Risikoaufklärung

Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte als Anlagevermittlerin eine Aufklärungspflicht gegenüber den Anlegern hatte. Diese umfasste nicht nur allgemeine Informationen über das Produkt, sondern insbesondere auch eine Verständlichmachung der wirtschaftlichen Risiken. Nach Ansicht des Gerichts wurde in den Vertragsunterlagen und Informationsblättern nicht ausreichend darauf hingewiesen, dass die qualifizierte Nachrangklausel das Verlustrisiko erheblich erhöht.

Das Totalverlustrisiko eines solchen Darlehens ergibt sich nicht erst im Falle einer Insolvenz des Darlehensnehmers, sondern bereits, wenn die Rückzahlung zur finanziellen Schieflage führen würde. Zudem seien diese Darlehen wirtschaftlich mit einer Eigenkapitalbeteiligung vergleichbar, jedoch ohne entsprechende Kontroll- oder Mitspracherechte für den Anleger.

Das Gericht stützte sich dabei auf eine Entscheidung des BGH (Urteil vom 12.12.2019, Az. IX ZR 77/19), wonach eine solche Klausel zu einer „wesensändernden Umgestaltung“ des Darlehens in eine unternehmerische Beteiligung mit eigenkapitalähnlicher Haftungsfunktion führt. Anleger ohne vertiefte Kenntnisse in Finanz- und Insolvenzrecht könnten dies ohne ausdrückliche Aufklärung nicht erkennen.

Pflichtverletzung und Verschuldensvermutung

Da eine vollständige und verständliche Risikoaufklärung unterblieb, lag eine Pflichtverletzung der Beklagten als Vermittlerin vor. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird das Verschulden vermutet, sofern keine Entlastung nachgewiesen werden kann. Die Beklagte konnte diese Vermutung nicht entkräften.

Zudem greift die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, d.h., es wird angenommen, dass der Anleger bei ordnungsgemäßer Aufklärung die Investition nicht tätigt hätte.

Konsequenzen und Bedeutung des Urteils

Das LG Ravensburg verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 14.500 Euro nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus den Nachrangdarlehen. Zudem stellte es fest, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Abtretung in Annahmeverzug befindet.

Dieses Urteil betont die weitreichenden Informationspflichten von Plattformbetreibern im Bereich der Schwarmfinanzierung. Anleger müssen klar und verständlich auf die spezifischen Risiken von Nachrangdarlehen hingewiesen werden. Fehlt eine ausreichende Risikoaufklärung, kann eine Haftung auf Schadensersatz begründet sein.

Haben Sie Fragen zum Sachverhalt oder der Rechtslage?

Dann wenden Sie sich bitte an Herrn Rechtsanwalt Tilmann Schellhas, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, der seit Jahrzehnten Anleger bundesweit vertritt, auch und gerade im Darlehensrecht

Tilmann Schellhas

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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